Frau trinkt aus einer Flasche. Sie trägt Sportkleidung.

Haben es introvertierte Menschen schwerer?

Als introvertierter Mensch wird gemeinhin bezeichnet, wer eher in sich gekehrt ist, stiller, sich im Hintergrund hält und weniger die Ellbogen einsetzt, um sich durchzusetzen.

Doch haben es diese ruhigeren Menschen nun schwerer im Leben? Erreichen sie weniger? Müssen sie immer zurückstecken? Karl Leibetseder beschreibt: „Die Gehirnaktivität und damit das innere Erleben von äußeren Erlebniswelten sind bei diesen Menschen stärker ausgeprägt – sie suchen nicht so intensive Reize von außen. Dies ist eine angeborene Tendenz. Sie erleben ihre Umwelt in gewissem Maße als leichter überreizt und versuchen daher, quasi mit ruhigerem Verhalten einer Überreizung entgegenzuwirken.“

In dieser Gruppe von Menschen gäbe es aufgabenorientiertes und beziehungsorientiertes introvertiertes Verhalten. Die aufgabenorientierten Menschen suchen sich oft Regelwerke und erledigen Dinge sehr gewissenhaft und genau und schaffen es so, sich das Außen besser zu strukturieren und damit auch unter Kontrolle zu bringen. Die introvertierten beziehungsorientierten Menschen sind wiederum sehr auf Bestätigung und Anerkennung im zwischenmenschlichen Erleben orientiert und suchen hier ihren Halt. „Zu der Eingangsfrage ist also zu sagen: Ein aufgabenorientierter introvertierter Mensch tut sich mit ständig neuen Aufgaben schwerer, da er sie ja sehr ordentlich erledigen will. Wenn er dann auch noch auf einen extravertierten, dominanten Chef trifft, kann das zur Überforderung und damit verbundenen Hilflosigkeit führen“, erklärt der Experte.

Hingegen würde ein introvertierter beziehungsorientierter Mensch sich ständig um Beziehung bemühen und ringen.

Das heißt also: Jeder muss seinen Platz im Leben finden. Für aufgabenorientierte, introvertierte Personen eignen sich eher technische, handwerkliche Berufe – für beziehungsorientierte introvertierte Menschen eher Betreuungsberufe – für Mischtypen könnten eher Berufe entsprechen, bei denen Aufgabenerledigung und Beziehungsarbeit nötig sind. Wie etwa im Organisationsmanagement oder Sachbearbeiter mit Kundenkontakt.

Leibetseder: „Auch in der Partnerwahl dürfte das Bewusstsein um den eigenen Typus eine relevante Rolle spielen: Leben aufgabenorientierte introvertierte Menschen gemeinsam in einer Wohnung, dann wäre diese eine zwar klinisch saubere Wohnung, sie lähmen einander aber vielleicht durch wenig Aktivität.“

Wenn man seine innere Wertelandschaft betrachtet und reflektiert, könne man aber auch versuchen jene Anteile in sich zu üben, die man nicht so entwickelt hat. So wäre es für den Introvertierten oder die Introvertierte etwa eine gute Übung, immer wieder einmal vor Publikum zu sprechen.

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Unser Interviewpartner

Univ.-Lekt. Mag. Dr. Karl Leibetseder ist klinischer und Gesundheitspsychologe, sowie ausgebildeter Psychotherapeut. Er ist unter anderem als Berater bei „gep-Gesellschaft für Persönlichkeits- und Berufsbildung“ tätig. 

gep-Gesellschaft für Persönlichkeits- und Berufsbildung
Am Kirchberg 2
8111 Gratwein-Straßengel
Webseite Familienberatungsstelle GEP

Das Interview wurde im Januar 2022 geführt.

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