Alte Frau wird gekämmt

Schaffe ich es, eine Angehörige/einen Angehörigen zu pflegen?

Angehörige zuhause zu pflegen kann eine große Herausforderung sein. Bis hin zu aggressivem Verhalten, dem man ausgesetzt ist.

Lore Petrovic führt zu diesem Thema des Öfteren Beratungsgespräche, wobei es häufig nicht sofort zur Sprache kommt, wie belastend die Situation ist. Das Kernproblem fasst sie so zusammen: „Es geht bei den pflegenden Personen oft um Überforderung und bei den Pflegebedürftigen um Loslassen von Macht und Kompetenzen.“

Die Übernahme der Pflegeaufgaben würde zunehmend schwierig werden – die meisten Menschen sind berufstätig, der Generationenvertrag hält nicht mehr so wie früher und mit einem pflegenden Angehörigen ist man genauso zeitlich gebunden und eingesetzt, wie während der Elternschaft mit kleineren Kindern.

Die Pflegearbeit – insbesondere, wenn eigene Kinder sie leisten – wird darüber hinaus häufig wenig wertgeschätzt. Die Beziehung ist eine jahrzehntelang gewachsene – und nun kehrt sie sich um: Die Mutter, der Vater braucht die Unterstützung und nicht mehr das Kind. Dies kann auf beiden Seiten zu großer Frustration und Unzufriedenheit führen. Zusätzlich haben Pflegende ihre eigenen Themen und Aufgaben und fühlen sich in dieser Rolle gefangen.

Aber auch die Unterstützung anzunehmen, könne schwerfallen: „Das Abgeben von Macht und Kompetenzen und der gefühlte Verlust der Selbstbestimmtheit provozieren Widerstand. Oft wollen sie das älter und hilflos Werden nicht akzeptieren – sie genieren sich. Das kann ein langer Prozess sein. Immerhin naht auch der Tod.“ Das könne sich sogar in aggressivem Verhalten und Beschimpfungen äußern. Petrovic: „Pflegende müssen lernen, deutlich und respektvoll ihre Grenzen zu kommunizieren. Es ist wichtig, auf verbale Übergriffe zu reagieren. Die Einführung von STOPP-Signalen kann dabei helfen, schwierige Situationen zu unterbrechen.“

Die Expertin rät auch zur Selbstfürsorge: Pflegende sollten auf sich selbst achten und ihre eigenen Bedürfnisse nicht vernachlässigen. Die Reduzierung der Belastung und die Einbeziehung anderer Unterstützungspersonen sei wichtig.

Sollten Sie jemanden zu pflegen haben und dazu gerne ein Gespräch führen wollen, empfehlen wir Ihnen einen kostenfreien Termin bei einer der österreichischen Familienberatungsstellen.

Unsere Interviewpartnerin

DSP Leonore Petrovic ist Systemische Psychotherapeutin, Säuglings-, Kinder- und Jugendtherapeutin, Coach und Supervisorin und arbeitet im Team der Familienberatungsstelle vamos.

vamos - Verein zur Integration
Gemeindestraße 35
7411 Markt Allhau
Webseite der Beratungsstelle vamos

Das Interview wurde im September 2023 durchgeführt.

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